Notwendig zur Sektenbildung ist der Bezug zu einer bestehenden Glaubensgemeinschaft, die in einigen wesentlichen Punkten gebilligt wird, die man aber für unvollkommen hält. Grund (zuweilen auch nur Begründung) für diese angenommene Unvollkommenheit ist meist der Wunsch, zu den Ursprüngen zurückzukehren, manchmal auch der Wunsch, den guten Anfang endlich zur Vollendung zu bringen.
Es ist nicht immer einfach, zwischen Sekte (pejorativ) und Religionsgemeinschaft (neutral bis gut) zu unterscheiden. Bei weitem nicht jede Erneuerung, nicht jede Reform einer Glaubensgemeinschaft wird zur Sekte; so würde kein Mensch, der noch halbwegs bei Sinnen ist, die Früchte der Cluniazensischen Reform oder die Franziskaner der Erneuerung als sektiererisch oder Sekte bezeichnen.
Zum Wesen der Sekte gehört immer zweierlei: 1. die Abkehr von grundlegenden Prinzipien einer Religion mit der gleichzeitigen Behauptung, diese Prinzipien stellen in sich selbst eine Abkehr der ursprünglichen Religion dar; 2. der Unwille, eigene Überzeugungen zur Diskussion zu stellen und die Überzeugungen der ursprünglichen Religion in Ruhe anzuhören. In einer Sekte hat das Gefühl Übergewicht über die Vernunft. „X ist so und so (oder: wurde so und so vom Religionsgründer bestimmt), und nach reiflicher Überlegung und menschlicher Erfahrung sowie nach einem Blick auf die Anthropologie zeigt sich, daß das richtig ist“ ist eine vernunftgesteuerte Aussage. Das sektiererische Pendant ist: „X ist so und so, weil sich das doch für alle besser anfühlt / weil Y das so bestimmt und wir den nicht hinterfragen.“ Eine Religion kennt auch Exegese, also verschiedene, zuweilen strittige Auslegungen von Schriften oder Überlieferungen. Sie kennt neben dem Gehorsam auch die Diskussion. In einer Sekte hat man sich über die Bedeutung von Schrift und Überlieferung gefälligst einig zu sein.
Selbstverständlich hat eine Religion verbindliche Glaubenssätze. Aber die kann es sinnvollerweise nur geben, wenn sie mit Vernunft und Verstand aufgenommen wurden, auch dann, wenn sie auf Offenbarungen beruhen. Wo Glaubenssätze nur von einem oder wenigen als Autorität anerkannten Menschen erst verändert und dann verbindlich gemacht wurden und die umgebende Gemeinschaft sie nicht aufgrund von berechtigtem Vertrauen oder reiflicher Überlegung, sondern aus einem Gefühl heraus abnickt, sollten die Alarmglocken des Sektendetektors schrillen.
Wenn also eine Gruppe von Gläubigen wesentlichen Teilen der Lehre und Tradition ihrer Religion eine harsche Absage erteilt, Widerspruch nicht zulässt, sich aber nicht einer neuen Religion zuwenden oder sie gründen will, sondern darauf beharrt, die ursprüngliche Religion eigentlich richtig zu leben, im Gegensatz zu allen anderen Gläubigen, dann besteht der dringende Verdacht, daß sich hier eine Sekte gebildet hat. Wenn ernste Mahnungen des religiösen Oberhauptes der ursprünglichen Religion ignoriert oder verspottet werden, erhärtet sich dieser Verdacht.
Es bleibt abzuwarten, wie die katholische Kirche mit Noch-Mitgliedern in leitender Funktion umgeht, die einer derartigen Form der angeblichen Erneuerung folgen.
Ich denke da schaudernd an die Regen- und Gendersekte in der katholischen Kirche. Offenbar hoffen auch Bischöfe und Priester auf diese Weise die hohe Zahl an Kirchenaustritten stoppen zu können.
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P. S. “ … bewahre uns vor dem Bösen – das ist Satan- und vor Verwirrung und Sünde.“ So pflege ich das Vaterunser zu beten.
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Genau davon spreche ich.
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