Gottes Zorn

Kürzlich wurde mir zum drölfzigsten Male nahegelegt, Gott könne nicht zürnen, Er sei immer nur lieb und gut und gnädig. Auf meine Frage, ob Gott auch nicht zornig sei über die Vergewaltiger der Frauen von Butscha und Mariupol, bekam ich wörtlich diese Antwort:

Wenn diese Frauen erleben wovor sie Angst haben, ist es ihre Sache. Wer unter dem Schutz des Höchsten steht, erfährt kein Unheil. Menschen die nicht mit Gott leben, haben sich für ein Leben ohne seinen Schutz entschieden. Auch diese Menschen leben ihren freien Willen ob es mir gefällt oder nicht.

Die Person, die dies sagte, findet sich gut und weise (und entnimmt das der Bibel). Mir wird von diesem Zynismus schlecht.

Wenn Gott nicht zornig sein kann, wäre zunächst mal eine Menge in der Bibel (AT und NT) falsch. Darüber hinaus müsste man dann von einem Gott ausgehen, den Verbrechen nicht stören, dem es nichts bedeutet, wenn Menschen ungerecht handeln oder behandelt werden. Ein Gott, der am Ende sagt „Ihr seid alle wundervoll, kommt her, und falls euch Frauen die Vergewaltigung weh getan hat, hattet ihr eben nicht genug Glauben.“ Ein solcher Himmel wäre die Hölle.

Ich glaube, daß am Ende Jesus – also Gott – wiederkommen wird „zu richten die Lebenden und die Toten“. Sollte jemand in Herrlichkeit kommen, der sagt „Ist schon alles in Ordnung“, dann wüsste ich, daß er nicht Gott ist, und würde mich hüten, mit ihm zu gehen. (Der hätte mit Sicherheit keine Wundmale.)

Ein Gott, der nicht zornig sein kann, der nicht auch strafen kann, der ist in Wahrheit gar nicht gütig, sondern wurstig. Dem sind die Opfer egal und die Täter schon recht. Den braucht keiner – und dessen Reich ist auch nicht die himmlische Herrlichkeit, sondern ein Zustand ewiger, trostloser Einsamkeit. Ein solcher Gott ist kein Gott, sondern Satan in seinem schicksten Anzug.

Liebe und Gnade und Güte – diese wundervollen Eigenschaften Gottes – sind nicht möglich ohne den Geist der Unterscheidung. Gleichgültigkeit ist keine Eigenschaft Gottes.

Wer den Opfern unmenschlicher Verbrechen sagt, sie hätten sich gegen Gottes Schutz entschieden, ist nicht fromm, nicht liebevoll und nicht weise, sondern im günstigsten Fall furchtbar dumm, im ungünstigsten boshaft.

Natürlich ist obiges Zitat eine besonders auffällige und abstoßende Form der Ablehnung eines richtenden Gottes. Aber man hört ja allenthalben und auch von vielen Priestern, die Idee eines richtenden, zornigen Gottes sei „veraltet“. Und da frage ich schon mal: Glauben die Priester denn, daß es in Ewigkeit keine Gerechtigkeit geben soll? Man kann doch nicht gleichzeitig sagen „Gott steht auf der Seite der Armen“ und „Gott ist nie zornig über Ausbeutung und Ungerechtigkeit“.

Ich bin sicher, daß Gott sehr langmütig ist und sehr vieles mit nachsichtigem Lächeln (vielleicht auch mit Augenverdrehen) übergeht. Auch, daß Er ehrliche Reue, selbst wenn sie unvollkommen ist, liebevoll annimmt. Aber daß Er den Opfern niederträchtigster Untaten zumutet, zusammen mit den reuelosen Tätern an Seinem Tisch zu sitzen, glaube ich nicht und will ich nicht glauben.

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Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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4 Antworten zu Gottes Zorn

  1. akinom schreibt:

    „Wir kommen alle, alle in den Himmel weil wir so brav sind!“ jubeln die Kölner. Ausgenommen von diesem Glaubensbekenntnis ist für sie offenbar nur Kardinal Woelki.

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  2. Herr S. schreibt:

    Kein Zweifel, der Herr selbst ist da ganz eindeutig in Seiner Lehre, z.B. in der Bergpredigt Mt 5,6:

    „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; / denn sie werden gesättigt werden.“

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    • Herr S. schreibt:

      Wo kämen wir auch hin, wenn Gott nicht gerecht wäre und das Unrecht nicht ahnden würde?

      Ihr zweifelhafter Diskussionspartner scheint z.B. Vergewaltigung in ihrer Schwere als Verbrechen offenbar nicht recht ernst zu nehmen – vielleicht ein eklatanter Mangel an Empathiefähigkeit gepaart mit einem gerüttelt Maß an Dummheit, damit auch noch hausieren zu gehen.

      „Net amoi ignoriern“ würde der Wiener in diesem Fall wohl raten.

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