Lukas 11,1 sagt es recht knapp:
Und es geschah: Jesus betete einmal an einem Ort; als Er das Gebet beendet hatte, sagte einer Seiner Jünger zu Ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat!
Ich habe für dieses Jahr hier einen Bibelvers gezogen, der mich durch das Jahr (oder wenigstens eine Weile) begleiten soll. Was mir beschert wurde, war die Einleitung zum Vaterunser und einer kurzen Katechese Jesu.
Den Ruf zu Gebet habe ich längst bekommen. Aber das heißt nicht, daß ich jetzt beten kann und gut. Die Jünger waren ja auch längst gewohnt zu beten, waren vermutlich alle mit einer lebendigen Gebetspraxis aufgewachsen (auch wenn wir nicht wissen, wie weit diese Praxis bei ihnen mit fest verankertem Glauben zu tun hatte und wie weit sie eben einfach befolgt wurde – das mag bei jedem der Zwölf ganz verschieden ausgesehen haben). Ich weiß, daß meine Gebetspraxis sich im Laufe der Jahre geändert hat, daß es von äußeren und inneren Umständen abhängt, ob ich konzentriert oder fahrig bete, ob ich Gebet aufsage oder verinnerliche, ob ich mir mehr oder weniger Zeit nehme. Damit bin ich wohl kaum ein Sonderfall!
Jesus war nie abgelenkt und nie in Eile. Die Jünger sahen, mit welcher Innigkeit, mit welcher Präsenz Er zum Vater betete, und das wollten sie auch können. Und Er sagte nicht „Ihr müsst euch in eine bestimmte Position bringen, auf eine bestimmte Art atmen, euch auf besondere Weise konzentrieren“ – sondern Er lehrte sie das Vaterunser: ein kurzes einleitendes Bekenntnis zum Vater im Himmel, der Wunsch, daß Gott (und keine anderen Götter) als der Heilige anerkannt werde, daß alles so geschehe, wie Er es will, daß wir das Lebensnotwendige bekommen, Vergebung erlangen und selbst vergeben, keine schädlichen Gedanken hegen und frei werden vom Bösen. Sehr kurz und völlig ausreichend.
Bibliotheken wurden über dies kurze Gebet vollgeschrieben. Dagegen ist nichts zu sagen, allerdings ist Jesu folgende Katechese nicht eine Auslegung der einzelnen Sätze, sondern ein Appell, beim Beten zu vertrauen. Wie sehr ich diesen Appell nötig habe, wurde mir vor einigen Monaten klar, als ich betete: „Herr, wenn Du kannst, befrei uns von Corona.“ Unmittelbar darauf wurde mit klar, was ich da gesagt hatte, und ich stellte mir vor, wie der Herr amüsiert und gedehnt wiederholte: „Wenn Ich kann, Tochter?“ Ich hätte beinahe laut losgelacht über mich selbst (mit Rücksicht auf andere Beter ließ ich es bleiben).
Ich bin bezüglich Gebet ein Lehrling. Wenn man etwas lernt, ist das Wichtigste Fleiß und Interesse; nicht einmal Gott kann jemanden beten lehren, der das nicht lernen will. (Allerdings kann Er unvermutet einen Anstoß dazu geben, es nun wirklich lernen zu wollen – aber man bleibt in seiner Entscheidung immer frei.) Gott hört und sieht als liebevoller und geduldiger Lehrmeister nicht nur das innige, konzentrierte, von Vertrauen und Liebe durchdrungene Gebet, sondern auch das fahrig heruntergehaspelte. Er schenkt Geduld und Vertrauen. Er hört jeden Beter.
Für dies Jahr nehme ich mir vor, das Gebet immer weiter zu lernen und zu vertiefen. Auf meinen Lehrmeister kann ich mich verlassen und will das Meine dazu tun, so gut ich kann. Vielleicht ist es ja auch für den ein oder anderen Leser den Versuch wert, einen Bibelvers zu ziehen – oder sich von „meinem“ Vers ansprechen zu lassen.
Viel Segen für 2022!
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Danke, ebenso!
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