Die reine Bosheit

… begegnet mir in den sozialen Netzwerken, wenn es um Hilferufe von Frauen geht.

Eine junge Frau sagt, sie fühlt sich massiv bedroht, sie hat Angst vor Vergewaltigung, sie will lieber sterben als Vergewaltigern in die Hände fallen. Eine andere sagt aus, ihr eigenes Leben sei nichts mehr wert.

Angenommen, diese beiden Frauen wären Deutsche mit heller Hautfarbe: Sie könnten sich tausendfacher Solidaritätsbekundungen und Hilfsangebote sicher sein. (Ob es über Bekundung und Angebot im Ernstfall hinausginge, weiß ich allerdings nicht.) Sicher würden sie auch hören, daß sie unrecht haben, daß sie sich an Polizei und Justiz wenden können, daß für den schlimmsten Fall Frauenhäuser existieren. Aber eines würden sie gewiss nicht hören: „Wir wollen dich hier ohnehin nicht.“

Aber – die beiden sind Afghaninnen und sprechen aus ihrer Heimat. Folge davon sind Kommentare wie diese:

Jetzt kommen die Mitgefühl Videos. War nur eine Frage der Zeit.

Nun heißt es vernünftig wählen damit die deutschen Grenzen geschlossen und geschützt werden. Sonst haben wir bald das selbe hier.

Ich weine auch jeden Tag da man mir meine Freiheit nimmt und mich erpresst.

Wirklich schaurige Märchen.

Ist mir völlig Latte…

Solche Videos gehen mittlerweile spurlos an mir vorbei

Die misshandelten Tiere tun mir aber auch sehr leid!!!

mir tun die Tiere mehr leid, die Tiere sollten hier bei uns Asyl bekommen die sind wenigstens herzlich willkommen hier

Aha, man fängt schon an die Bevölkerung weich zu kochen. Aber, nach 20 Jahren Schutz und Ausbildung durch unbeliebte christliche Soldaten und dann, wenn es um die gegebene Freiheit geht, einfach alles passiv geschehen lassen?! Die Taliban sind nun im Besitz moderner Waffentechnik, allein 150 supermoderner Kampfhubschrauber…. da hält sich mein Bedauern in Grenzen.

Ende vom Lied wird sein, Deutschland holt sie alle her…so war’s von vornherein geplant…wir haben ja soooviel Platz

75.000 Taliban standen 300.000 afghanischen Soldaten und einer Zivilgesellschaft gegenüber, die hätte wissen müssen um was es geht… Es gibt Weggabelungen in der Geschichte von Ländern, wo man seine Freiheit mit seinem Blut verteidigen muss. Wenn die Afghanen es nicht getan haben, war es ihnen nicht wichtig genug. Sie soll ihre Brüder und Cousins verfluchen, nicht den Westen….

Die Mehrheit der dortigen Bevölkerung scheint dies zu goutieren, ansonsten wäre das in der Schnelligkeit nicht möglich. Insofern muss man sie wohl lassen.

Wenn eine kleine Armee binnen Tagen ein Land überrollen und die Macht übernehmen kann, muss Akzeptanz in der Bevölkerung vorhanden sein. Anders kann ich es mir nicht vorstellen.

Wer erzieht denn die Söhne seit vielen Generationen, die dann zu Taliban, Terroristen und männlichen Gräulwesen werden?

Das ist eine kleine Auswahl der Hasskommentare. Einige besonders widerliche habe ich nicht zitiert, weil ich die nicht einmal zu Dokumentationszwecken auf meinem Blog haben will. Das heißt, obige Zitate sind nicht einmal die schlimmsten.

Also: die verzweifelten Videobotschaften junger Afghaninnen sind nur mitleidheischend, außerdem sind die jungen Frauen ja selbst schuld, weil sie sich nicht gewehrt haben oder ihre Söhne nicht besser erzogen haben, und außerdem (gleichzeitig) sind das ja alles nur Märchen, wahr ist nur, daß nun ganz sicher echte Terroristen in einer Riesenwelle nach Deutschland strömen werden, und wenn die jungen Frauen Hundewelpen wären, wären sie willkommen…

Wenn der Herr mir sagt, ich solle meine Feinde lieben, dann muss ich Ihm heute entgegnen: Bei den Taliban ist das schwierig genug, aber ich versuchs. Aber, Herr, meinst Du im Ernst auch diese unterbelichteten, gefühlskalten, herzlosen Kommentatoren?

Ich weiß schon: Er wird Ja sagen. Daran merkt man, daß Christentum wirklich nichts für Weichlinge ist.

Ich werde für die einen wie die anderen um Hirn, Gewissen und Bekehrung beten. Zumindest werde ich es versuchen. Sie haben es gleich nötig, und in dieser Hinsicht gilt mein Mitgefühl den Taliban ebenso wie den besagten Kommentatoren. Und für alle Afghaninnen, die jetzt furchtbare Ängste ausstehen und gerne fliehen würden, aber nicht können, weil die Flugpreise schwindelerregend hoch sind, bete ich um großzügige und schnelle Hilfe und darum, daß sie bald in einer sicheren Umgebung frei leben können. Und für mich selbst, daß mein Zorn über die ekelhaften Kommentare nicht in zerstörerische Wut umschlägt. Im Augenblick bin ich recht froh, daß meine Faust von jedem dieser Kommentartoren naturgemäß weit entfernt ist – sonst könnte ich für nichts garantieren.

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Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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2 Antworten zu Die reine Bosheit

  1. Magdalena schreibt:

    Liebe Frau Sperlich,
    Damit es nicht nur solche Hasskommentare im Internet gibt, hinterlasse ich jetzt einen, in dem ich sage: Ihr Frauen und Mädchen, ich kann eure Angst ganz und gar nachvollziehen, und ich sage: kommt zu uns! Das ist das Mindeste, was wir für euch tun können, nachdem ihr von uns und eurem eigenen Staat so im Stich gelassen wurdet. Ich kann mir nur wenig Schlimmeres vorstellen, als als Frau in die Hände der Taliban zu geraten.

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    • Claudia Sperlich schreibt:

      Tausend Dank für diesen Kommentar. Ich war heute wirklich – trotz auch anderer und guter Kommentare – ziemlich nachhaltig bedrückt von dieser Menge an Bosheit. Da tut ein solcher Kommentar wirklich gut.

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