Dichterisches Zufallsprodukt

Da finde ich zufällig einen interessanten Zeitungsartikel über Zikaden, verlinke ihn auf facebook, ein Freund setzt einen wortspielerischen Vierzeiler darunter, und was passiert? Ich erinnere mich an eine Wanderung von vor etwa vierzig Jahren und schreib ein Gedicht.

Zikaden

Einstmals, in Italiens Auen
Kunst und auch Natur zu schauen,
wanderte ich froh allein.
Abends fand ich keinen Hafen,
legte mich im Grase schlafen,
und ich schlief auch wirklich ein.

Als ich in der Nacht erwachte
von dem Krach, den etwas machte,
nur aus Büchern mir bekannt,
fand ich’s vorerst recht erfreulich,
aber bald schon ganz abscheulich,
phantasielos und genant.

Da beschloss ich, aufzustehen
und woanders hinzugehen,
und so wandert‘ ich bei Nacht,
vom Gezirp mich zu entfernen,
hochromantisch unter Sternen,
und hab still bei mir gedacht:

All das neunzehnte Jahrhundert
hat den lieben Mond bewundert
nur, weil die Zikaden schrein.
Wär’n sie wie der Mond so stille,
aller deutschen Dichter Wille
ließe Nacht und Mond allein.

Hoch solln die Zikaden leben!
Durch sie wurde uns gegeben
manches schöne Lied vom Mond.
Ohne dies entnervend‘ Pfeifen
durch Italien tags zu streifen
hätte schließlich kaum gelohnt.

© Claudia Sperlich

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Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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4 Antworten zu Dichterisches Zufallsprodukt

  1. theomix schreibt:

    „Gibt es da nicht etwas von Morgenstern?“

    „Aber natürlich:
    http://www.versalia.de/archiv/Morgenstern/Philanthropisch.1523.html

    „Morgenstern – gute Verse, gute Erheiterung.“

    Aber hier eher monozikadisch.

    Noch ein recht frohes Pfingsten!

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  2. thomas schreibt:

    Im dalmatinischen Kroatisch heißen so ein Tierchen übrigens Cvrčcok. Man versteht die Namensgebung sofort!

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