Sühne – warum sollte ich fremde Schulden bezahlen?
Zunächst einmal hat wohl jeder schon irgendwann einen Schaden angerichtet, den er nicht selbst wieder gutmachen konnte. Ob es ein Kratzer im Lack ist, eine kaputtgeschmissene Blumenvase, ein größerer materieller Schaden, eine fahrlässige Körperverletzung oder Schlimmeres, wer Schaden anrichtet, ist nicht immer fähig, ihn zu ersetzen oder wieder gutzumachen. Dann zahlen vielleicht die Eltern oder Verwandten des Missetäters, oder Freunde legen zusammen, weil sie wissen, daß der Freund pleite ist und es ihm leid tut. Bei größerem Schaden, bei schweren Verbrechen gar, kann es sein, daß Menschen im weiteren Umfeld des Täters sich zu einer Sühneleistung zusammentun.
In jedem Fall wird eine Schuld von Menschen beglichen, die sie nicht begangen haben. Das geschieht einerseits, um dem Geschädigten zu helfen, der sonst auf eine Entschädigung lange warten müsste oder sie nie zu sehen bekäme. Andererseits geschieht es, um den Schuldigen zu entlasten, der sonst mit seiner unbeglichenen Schuld leben müsste.
Bei der Sühne im religiösen Sinn geht es ganz wesentlich um die Unterstützung des schuldig Gewordenen, der aus irgendwelchen Gründen – sei es mangelnde Einsicht in seine Schuld, sei es mangelnde Fähigkeit zur Wiedergutmachung – die Schuld unbeglichen lässt. Für ihn zu beten ist eine gute Tat. Dabei geht es nicht darum, Schuld kleinzureden. Wir könnten ja auch gar nicht Gott überzeugen, daß alles nicht so schlimm ist – Er weiß, wie schlimm oder wie gut es steht! Es geht darum, Ihn für den Schuldigen um Einsicht und Vergebung und für den Geschädigten um Heilung und Versöhnung zu bitten. Im Sühnegebet sagen wir, was der Schuldige nicht sagen kann oder will.
Sühne ist eine Tat der Nächstenliebe; wir beten für den, der es nicht kann. Zugleich ist sie ein Akt der Solidarität; als Sünder sind wir solidarisch mit anderen Sündern. Man kann ein Sühnegebet auch als Heilungsgebet verstehen, denn der reuelose Sünder ist ja seelisch krank – zum einen, weil Sünde generell als eine Art Krankheit gesehen werden kann, die Erbkrankheit, die seit Adam alle Menschen tragen, zum anderen, weil es krankhaft ist, Sünden nicht zu bereuen (also Unrecht nicht einzusehen). Schließlich ist es ein Akt des Vertrauens auf Gott, der die Bitten Seiner Kinder hört.
Vertrauen auf (und damit Liebe zu) Gott führt zu meinem nächsten Thema – zur Anbetung, und darüber können Sie morgen, am Sonntag, lesen.
Danke für diese Ausführungen. Ich hatte so manches Mal Probleme zu erklären, warum Sühnenacht so wichtig ist, z.B. in Berlin.
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