Auf Facebook wurde diese scholastische Frage gestellt, und die Diskussion ist wirklich interessant.
Zunächst ist zu bemerken, daß es sowohl von „Gott“ als auch von „Urlaub“ zu verschiedene Auffassungen gibt, um die Diskussionsbeiträge klar gegeneinander abzuwägen.
Wenn man Gott als eine Art großen Freund sieht, der für einen da ist, wenn man Ihn braucht, einen aber sonst in Ruhe läßt, dann ist ein gelegentliches „Urlaub machen“ nicht nur möglich, sondern um der persönlichen Entwicklung willen auch nötig. Sieht man Ihn als Aufseher, der beurteilt, ob man auch nie die Messe schwänzt, ist ein Urlaub gefährlich, aber vielleicht das Risiko wert.
Allerdings sind diese beiden Gottesauffassungen zwar entgegengesetzt, aber gleichermaßen naiv. Im 60er-bis-80er-Jahre-Christentum gibt es starke Strömungen, die Gott als kumpelhaften Typen sehen, den man um Hilfe bitten kann, wenn man selbst nicht fertig wird, und der uns im übrigen einfach machen läßt. Diese Vorstellung widerspricht der immer fürsorgenden Güte Gottes ebenso wie Seiner richterlichen Vollmacht.
Die barocke und im 19. Jh. noch einmal auf sentimentalere Weise großgewordene Vorstellung des Gottes, der das Nasepopeln eines kleinen Jungen nicht nur genau sieht, sondern auch ahndet (z.B. mit dem nächsten aufgeschlagenen Knie) und der auf dem Gottesdienstbesuch besteht, weil Er es eben so haben will und basta, ist von kindlicher (oder kindischer) Angt geprägt, ebenso die Vorstellung eines Über-Arbeitgebers, der mich ununterbrochen antreibt, Gutes zu tun, und jede Erschöpfungspause ahndet.
Urlaub wird teilweise als Abwesenheit von der Messe, von anderen religiösen Verpflichtungen definiert, teilweise als Pause in der Gottsuche, als Zeit, in der Gott einfach „kein Thema“ ist, und einmal – sehr interessant – unter Bezugnahme auf Hiob als „Urlaub vor Seinem Zorn“. Gegenargumente sind: Wenn Gott das Leben selbst ist, kann man vor Ihm gar keinen Urlaub machen, das wäre wie aufhören zu atmen oder wie absolut nicht mehr lieben.
Der geäußerte Wunsch, ab und zu mal der Sonntagspflicht und anderen religiösen Pflichten nicht zu genügen, entspringt meiner Ansicht nach (und meiner eigenen Erfahrung nach!) einer unvollkommenenen Sicht auf die Messe. Wenn ich darin einen irgendwie gemeinschaftstiftenden Ritus sehe, in der real existierenden katholischen Ortsgemeinde aber gerade unschöne Erfahrungen mache (und noch nicht imstande bin, mein eigenes Anteil daran wahrzunehmen), dann wiegt das Argument „keine Lust auf Gottesdienst“ ziemlich schwer. Sehe ich aber in der Messe das heilbringende Opfer und in der Hostie Jesus Christus selbst, der sich mit mir vereinigen will, dann kann mich der unangenehmste Banknachbar, die schlampigste Liturgie und die schlechteste Predigt nicht davon abhalten, hinzugehen. Ich kann allerdings beides als Prüfung wahrnehmen und auch mit Gott hadern, was Er mir da schon wieder zumutet. Möglich, daß ich im Laufe der Zeit merke, wenn ich selbst erträglicher wäre und besser zu- oder im schlimmsten Fall weghören würde, wäre alles gar nicht so schlimm. (Anmerkung: Ich habe leicht reden – in meiner Gemeinde ist schöne Liturgie und kluge Predigt an der Tagesordnung. Aber ich kenne es auch anders.)
Wo „Gott kein Thema“ ist, fehlt meiner Ansicht nach dem Leben das Leben selbst. Mag sein, daß das als erholsam empfunden wird, aber nur, weil man sich von einer falschen Gottesvorstellung erholt. Es entsteht ein Vakuum im Leben, das mit Tätigkeiten gefüllt wird. So schön jede einzelne dieser Tätigkeiten sein mag, das führt zu einer Selbsterlösungslehre. Und solche Lehren haben noch nie auf Dauer Gutes gebracht.
Wenn ich Gott als die Liebe selbst sehe, den Allmächtigen, Allgütigen, der für mich grausames Leiden auf sich genommen hat, und dem ich in jeder Messe leiblich begegne, dann kann ich gar nicht Urlaub von Ihm wollen. Trotzdem gibt es immer wieder Momente, wo ich mich eben doch „beurlaube“, indem ich auf irgendeine Weise lieblos bin. Einen Mangel an Liebe nennt man auf katholisch „Sünde“. Sünde trennt von Gott. Wenn man sehr ehrlich zu sich selbst ist, merkt man wahrscheinlich eine ganze Menge kleiner Lieblosigkeiten, sei es aus Bequemlichkeit oder Zorn oder irgendeinem anderen Grund. Durch die Bitte um Vergebung, idealerweise im Sakrament der Beichte, kann der dadurch entstandene „Urlaub“ geheilt werden. Von Gott.
Die Antwort ist mir etwas zu theoretisch. Ich denke, die Frage ist ganz praktisch gemeint. Meine Antwort:
Natürlich kann man Urlaub von Gott nehmen. Allerdings sind die tariflichen Gegebenheiten da anders geregelt, als man meinen sollte.
Die Wiedereinstellung nach dem Urlaub ist keinesfalls gesichert. Tatsächlich ist es sogar so, dass Du damit draußen bist.
Gott ist ein sehr freundlicher Arbeitgeber, der Dich auch nach einem langen Urlaub jederzeit wieder aufnimmt. Die Voraussetzung ist allerdings, dass Du begriffen hast, dass der Urlaub ein Fehler war und Gott dies auch glaubwürdig versicherst. Tust Du das, bist Du wieder dabei. Der Urlaub ist allerdings nachträglich für die Katz und der Erholungswert gleich Null.
Zudem wird Dir, wenn Du denn wieder arbeitest, in Mitarbeitergesprächen vom Chef persönlich sehr klar gemacht werden, dass der Urlaub Deiner Gesundheit geschadet hat. Kurz: der Rückweg ist nicht sooo leicht und am Ende wärst Du froh, wenn Du den Urlaub nicht genommen hättest.
Ich glaube nicht, dass man Theologe sein muss, um diese Frage sinnvoll zu stellen und sich damit auseinanderzusetzen.
Im Grunde ist die Frage sehr gut und auch sehr genau gestellt. Denn man kann das zwar theologisch ausdrücken, aber der Urlaub trifft das, was man meint, viel besser, als eine theologische Formulierung.
Katholischerseits wurde zu diesem Thema in einer Antwort die Beichte ins Spiel gebracht. Was das angeht: die meine ich zum Teil. Denn leider gibt es Menschen, die gehen zur Beichte, wollen aber in Wirklichkeit weiter Urlaub nehmen, und denken jetzt, dass sie mit einmal beichten den Urlaub nachträglich genehmigt bekommen. Wichtiger als die Beichte ist die Erkenntnis. Gott schaut ins Herz. Die Beichte ist dann die Krönung.
Dann läge mir dazu noch etwas am Herzen.
Viele Christen fühlen sich chronisch überfordert, weil sie ganz richtig bemerken, dass der Plan Gottes immer größer ist als das, was sie leisten können. Sie fühlen sich ständig gestresst und erleben sich als chronisch defizitär. Davon kann man Urlaub gebrauchen, das ist wahr.
Tatsache allerdings ist, dass man, um im Bild zu bleiben, bei Gott ständig in der Weiterbildung ist. Es nicht zu schaffen, zu scheitern und das zu erkennen ist KEIN Grund, zu verzagen, sondern einer sich zu freuen. Wir sind in Ausbildung. Was nur bei uns anders ist, als sonst in der Lehre: Unsere Tests werden vom Meister selbst ausgefüllt. Auf dem Zeugnis bekommen wir eine 1, nicht weil wir so gut sind, sondern weil der Chef so gut ist.
Es heißt: Christus ist für uns zur Sünde geworden. Überall, wo wir sündigen, finden wir in der Rückschau IHN. Angst vor Fehlern – wozu? Urlaub – wovon? Oder besser: wohin? Raus aus der Überforderung, rein ins Vertrauen. Erholung bei Gott ist keine Auszeit, nach der man wieder ins Gewühl muss. Erholung bei Gott ist der komplette Ausstieg.
Verwalten
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Vielen Dank für diese ausführliche Antwort! Ich finde, das trifft es sehr gut.
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Natürlich kann man Urlaub von Gott nehmen. Jederzeit und so lange, wie man will.
Allerdings tut man sich mit solch einem „Urlaub“ keineswegs einen Gefallen. Wer das nicht merkt / spürt, der ist schon in „Urlaub“.
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