Mein schönstes Weihnachtsgeschenk

Vieles Schöne und Nützliche habe ich bekommen.
Aber eines will ich heute vorstellen, weil es so sehr besonders und gut ist.

Meine Mitbewohnerin hat in einer anderen Stadt einen dreijährigen um irgendwelche Ecken Verwandten, den sie sehr liebt. Sie hatte mich öfter gebeten, daß er sie besuchen darf. Nach anfänglichem Zögern sagte ich: Gut, wenn die Mutter nichts dagegen hat, darf der Cousin mit dem Kleinen kommen.

Dann ging plötzlich alles ganz schnell: Am 23. – nach dem gemeinsamen Weihnachtseinkauf – erfuhr ich, daß die beiden „Männer“ am Heiligabend kommen – und daß der ältere der beiden erst 17 Jahre alt ist. Ich war zunächst ärgerlich, weil ich mich erinnerte, mehrmals gesagt zu haben: Bitte vorher Bescheid sagen. Später wurde mir klar: Ein Tag vorher ist ja vorher, und in einer Kultur, wo spontaner Verwandtenbesuch üblich ist, sogar lange vorher.

Nach einem Telephonat mit der Betreuerin des Großen war auch klar, daß sie Bescheid wußte und einverstanden war. Und so kamen in der Heiligen Nacht, während ich die Christmette feierte, ein freundlicher und höflicher junger Mann mit schon recht guten Deutschkenntnissen – er macht gleichzeitig eine Ausbildung zum Fernsehmechaniker und einen Deutschkurs und hat gute Noten! – und ein entzückender und sehr unkomplizierter Dreijähriger. Ein ganz offizielles Papier, daß der Große den Kleinen rechtmäßig begleitet, hatten sie auch.

Die folgenden Tage waren ein wenig chaotisch – aber auf eine fröhliche und nette Weise. Ich lernte, daß Dreijährige nicht notwendig um 20.00 Uhr im Bett sein müssen (in diesem Fall: notwendig nicht um 20.00 Uhr… weil der Kleine das so bestimmte). Der Kleine war dabei dermaßen lieb! Ungehalten wurde er nur einmal, als ich ihm vor dem Essen das Messer wegnahm, mit dem er fröhlich herumfuchtelte. Ich glaube, das haben die beiden anderen als deutsche Eigenheit respektiert. Rückblickend denke ich auch, mit der Gabel hätte er mehr anrichten können als mit dem stumpfen Frühstücksmesser, und nichts ist passiert.

Seve und ihre Gäste waren viel weg, wir haben uns aber doch auch viel gesehen. Der junge Mann hat Dolmetscherdienste geleistet. Seve hat eine glückliche Zeit gehabt. Ich auch, denn natürlich habe auch ich mit dem Kleinen gespielt und gescherzt und ein Wehwehchen weggepustet – was er sehr gut fand.
Und die Wohnung steht und ist ordentlich und sauber – dafür sorgt sie mit weit mehr Energie als ich.

Heute morgen fuhren die Männer wieder ab. Und ich habe ihnen von ganzem Herzen gesagt: Kommt in den Sommerferien wieder!

Geschenkt wurde mir die Erkenntnis, daß ich ganz spontan Gäste anderer Leute empfangen kann, auch am Heiligen Abend und etwas länger als gedacht, und daß das sehr schön ist, selbst wenn man nicht besonders zusammen feiert, weil wir nicht die gleiche Religion haben.

Und, Leute… bei mir waren zu Weihnachten eine Frau, ein Mann und ein kleiner Junge aus dem vorderen Orient. Wenn das nicht schön ist!

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Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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